Heinz-Helmut Hadwiger

Zitate stimmen nicht immer

Gut, dass ich nicht der dümmste Esel bin,
sonst käm mir Claudius‘ „Esel“ in den Sinn:
„Oh, die Natur schuf mich im Grimme!
Sie gab mir nichts als eine schöne Stimme.“

Auch seine „Apologie des Sokrates“
verstehe und praktiziere ich indes:
Von Jugend auf sei ’s ihm geschehen,
dass er gewisse Stimmen hörte.
Nur, wollte er darauf eingehen,
war ’s, dass es seine Pläne störte.
Sie hielt ihn nur von allem ab
und brachte niemals ihn auf Trab.

In der „Bürgschaft“ von Herrn Schiller
wird die Stimme dann noch schriller:
„Wie weit er auch spähet und blicket,
und die Stimme, die rufende, schicket.“,
sie hat unserm Bürger nicht Hilfe verschafft.
Vermutlich ermangelte es ihr an Kraft!

Noch einmal muss ich mit Schiller euch quälen,
selbst wenn ihr darunter unsäglich leidet
und euch das Zitat auf die Nerven geht:
„Man sollte die Stimmen wägen und nicht zählen.
Der Staat muss untergehn, früh oder spät,
wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“
Zu diesem nachvollziehbar-schlechten Schluss
kommt Sapieha in „Demetrius“.

Zitate Schillers gibt es nicht nur schlimme,
spricht Thekla doch in „Piccolomini“:
„Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme.“,
nur leider, meist erfahren wir sie nie!

Grillparzer ahnt der Stimme Plagen.
Drum lässt er seine „Ahnfrau“ sagen:
„Hab ich gehört, gelesen
von der Stimme der Natur.
Wär‘ mein Vater es gewesen,
warum schwieg sie damals nur?“
Meint er damit etwa insgesamt,
dass die Stimme ebenso vom Vater stammt?
Oder dass sie nur beim Vater krächzte,
der nach höherer Bestimmung lechzte?

Moses Mendelssohn wirft auch ungelogen ein:
„Stimmen wollen gewogen und nicht gezählt sein.“
Berechtigte Klage,
der Klopstock schon Gewicht verlieh
in seiner „Waage“:
„Du zählst die Stimmen – wäge sie!“

Noch einmal muss sich Schiller her bequemen,
um etwaige Illusion zu rauben
(aus „Wallensteins Tod, dritter Akt, zieh ich’s heraus):
„Nicht jeder Stimme – find ich – ist zu glauben,
die warnend sich im Herzen lässt vernehmen.
Uns zu berücken borgt der Lügengeist
nachahmend oft die Stimme von der Wahrheit
und streut betrügliche Orakle aus.“
Was als Erkenntnis sich für mich erweist,
nicht immer trägt die Stimme Stimmigkeit.

Synonyme sollten stimmen

Stimm ich erst der „Stimme“ Synonyme an,
dass ich Fistel- von der Mords-, von beiden
Sing-, Gesangesstimme unterscheiden,
stimmungsvoll alsdann mich einstimmen kann,
stimmen auch: Gelalle, Notschrei, Ausruf, Laut,
Sprache, Klage und Geräusch, wovor mir graut.
Auch Bedeutung einer Stimme, ihr Gewicht,
das nach Wahl für Einfluss, Macht und Stärke spricht,
deren Wert und Rolle, die verkenn‘ ich nicht,
wie – damit verbunden – geschund‘nes Anseh’n,
wenn wahllos Wahlstimmen zur Urne geh’n,
so das Stimmen-Übergewicht, der Wahlvorschlag
als Ermächtigung, Anweisung und Auftrag.
Allerdings, wer denkt bei “Stimme“ nicht spontan
an Stimmlage: Alt, Tenor, Bass, Bariton, Sopran?
Mezzo auch – kehrt so zurück zum Stimmorgan,
das man, wenn es stimmlich stimmt, er-hören kann.
Solche Stimmen heizen erst die Stimmung an:
Stimmung, Laune, Frohsinn, Lust und Heiterkeit,
Anwandlung, Geneigtheit, Anfall, Fröhlichkeit,
Atmosphäre, Jubel und Gehobenheit,
Grillen, Spaß, Entzücken und Begeisterung,
sei’s Affekt, Gemütszustand, Belieben, Schwung,
all die Stimmungen sind faszinierend,
reizend, anregend und stimulierend,
was dann ihrerseits die Stimmung etwas hemm‘,
schließlich: Sie verliert damit ihr zweites „em“!

 

Stimme des Herzens vor der Stimmung des Scherzens

Als „Stimmen“ verstehen wir die von Menschen und Tieren
akustisch mit Hilfe der Stimmbänder erzeugten Töne,
die – ansprechend – amüsieren oder sekkieren,
dadurch üble Stimmung verbreitend oder gar schöne.

Wir lauschen – das war von Nöten –
zuweilen etwas betreten
den Stimmen nach Noten für Flöten,
für Kontrabass und Trompeten.

Der Stimme folgen wir, der Vernunft,
für Anstand und nach Gewissen,
um Sitz und Stimme in Zunft
und Parlament nicht zu missen.

Wenn wir uns der Stimme enthalten,
sie senken anstatt zu erheben,
dann können wir uns nicht entfalten.
Die Stimme wird zittern und beben.

Des Volkes Stimme sei die von Gott,
so stimmt ein lateinisches Sprichwort an.
Die Stimme schenkt Lob und Beifall wie Spott,
wenn sie beratend fungieren kann.

Die Stimme mag hart sein, laut oder schrill,
ist eine gedämpfte, hohe wie heisere,
auch wenn sie nur heller und weich sein will,
wirkt oft sie als krächzend, dunkle und leisere.

Manch Stimme spielt eine tragende Rolle,
weil sie so lauter und rein war und klar.
Manch tragende Stimme ist eine volle,
macht damit die innere Stimme erst wahr.

Wenn man von Stimmungen abhängig wäre,
ließ sie sich durch die des Mondlichts anheben,
herrscht‘ angeregteste Atmosphäre,
die wir unbeeinträchtigt fröhlich erleben.

Ist denn die Stimmung noch so wild
und steigt das Stimmungsbarometer,
ich geb‘ euch gern ein Stimmungsbild.
Vielleicht stimmt ihr dann selbst ein später …