Sonette:

(BILD 2:) ENTSTEINERUNG

Mir ist so, als verbärgst du hinter Zweigen
dein über jede Angst erhabenes Gesicht.
Du siehst mich direkt an, und doch siehst du mich nicht.
In Ferne starrt dein Blick und wirkt ganz eigen.

Du solltest dich mir unbedeckter zeigen,
nicht grau verhangen, nein, in buntem, hellsten Licht!
Doch du entziehst dich mir, signalisierst Verzicht.
Denn du gehörst nicht gern zu meinem Reigen.

Du bist schon so weit weg, hast dich empfohlen,
hast dich versteckt, verborgen hinter Ästen.
Geläng ’s mir, aus dem Dickicht dich zu holen!

Ich möchte dich! Und möcht’ dich nicht mehr testen.
Du lauschtest, doch ich käm’ auf leisen Sohlen.
Ich meint’ es ernst und hielt’ dich nicht zum Besten.

(BILD 3:) EINANDER ANZIEHEN – EINANDER FLIEHEN

Du bist ein Anreiz meinem Urverlangen,
das unentschieden ist, wonach es brennt.
Dein Körper ist ein braunes Instrument,
an dessen Saiten meine Finger hangen.

Du spürst mich nicht; und käme ich mit Zangen,
ich wär’ ein Folterknecht, den man nicht kennt.
Und fasst’ ich fester zu und vehement,
du würdest weder zittern noch gar bangen.
In Ablenkungen würdest du dich fliehen
und gingest auf mein Drängen gar nicht ein,
versucht’ ich doch, dich übern Tisch zu ziehen.

Du willst vor schwarzem Hintergrund grell sein,
am Rand ein wenig violett, ja, wie denn?
Du bist ’s! Und ich bin so wie du: allein!

(BILD 14:)VERLEGENHEIT

In ein, zwei Stufen wollt’ ich dir begegnen
und hab mich leis’ an dich herangemacht.
Wer hätte da an einen Akt gedacht,
an einen ersten, noch verweg’nen?

Da deine Augen blutgleich Tränen regnen,
hab ich den Mut nicht übers Herz gebracht
und schüchtern mich zurückgenommen, sacht,
als könnte mich erst deine Keuschheit segnen.

Du starrst mich trotzig an und vorwurfsvoll.
Schon mein Gedanke hat dich tief verletzt.
Du strahlst Verzweiflung aus, Verwirrtheit, Groll.

Sobald ihr Ausweg deine Wange netzt,
wirkst du in aller Blindheit rasend, toll,
verwischt, gepeinigt, ausgelöscht, entsetzt.

 (BILD 15:) ENTWAHNUNG

Warum bist du nur hinter dich getreten,
vor meiner Zudringlichkeit rückgewichen,
verkanntest meine ehrlich flehentlichen
Annäherungen, die sich Dich erbeten?
Und was auch immer sie von dir erflehten,
du hast sie überbräunt und ausgestrichen,
dass Ansatz, Anflug, Anlicht schon verblichen
und meine Aus-Sichten in Nebel spähten.

Und sie verloren sich im Grün, im frischen,
in dem ich Vögel, Flugobjekte ahn,
magst du mir meine Ausflucht auch verwischen.

Indes du trachtest, mich aus meiner Bahn
zu werfen, suchst du mir noch zuzuzischen:
„Vergiss es, ich war nichts als leerer Wahn!“